19 Juni 2011 Es war die 8. Männertour in Folge und die ursprüngliche Truppe mit Jürgen, Paul und Lothar war wieder beisammen. Obwohl Jürgens Teilnahme kurz vor Start wegen Unwägbarkeiten im Berufsalltag plötzlich sehr fraglich war, konnte er dann seine Arbeiten doch noch rechtzeitig abschließen und die Fahrt war gerettet.
Am 1.6.2011 wurde wie im Vorjahr um 17:00 Uhr gepackt und um 18:00 Uhr war Abfahrt. Nach ca. 950 km kam die Gruppe gegen 5:30 Uhr am Campingplatz Alpencamping in Kötschach an. Wie vorher fernmündlich vereinbart, wurde der Platzwart aus dem Schlaf geklingelt, um uns unseren Platz zuzuweisen. In der Morgendämmerung bei Vogelgezwitscher wurden die Zelte aufgebaut. Tisch und Stühle wurden arrangiert und mit einem Schlummertrunk die erforderliche Bettschwere erzielt. Eine Stunde älter verabschiedeten wir uns von der schönen Aussicht auf die umliegende Bergwelt, um endlich zu schlafen. Da der Campingplatz nahezu ausgebucht war, haben wir in der Platzzuweisung eine äußerst ungünstige Wahl hinnehmen müssen.
Von der Bundesstraße nur durch den Gehweg und eine schmale Hecke getrennt, war die Lärmkulisse durch den Straßenverkehr in Richtung mörderisch zu bezeichnen.
Doch irgendwann hat einen die Müdigkeit übermannt. Nach einer kurzen Traumphase hatte ich das Gefühl, dass plötzlich ein LKW mit überhöhter Geschwindigkeit mitten durch mein Zelt und über mich hinwegfuhr. Und als ich anschließend Stimmen hörte, die deutlich das „Gelobt sei Maria, voll der Gnaden ...“ vernehmen ließen, habe ich mich schon in himmlischen Sphären erhoben gefühlt. Nachdem ich das Zelt verlassen hatte, konnte ich eine Gruppe von 7 jungen Leuten erkennen, die ein Kreuz vor sich hertragend, die Hände gefaltet, zu Christi Himmelfahrt in den frühen Morgenstunden gemeinsam den Rosenkranz beteten.
Hoch oben in den Bergen ist man dem Himmel wohl doch viel näher als bei uns im Rheinland.
Zwischenzeitlich zogen vermehrt Wolken auf und die umliegende Bergwelt war nicht mehr sichtbar. Bei der Anmeldung wurden wir vom Platzwart, ein uriger Lederhosenträger, nochmals herzlich willkommen geheißen und mit vielerlei Informationen versogt – Saunabetrieb, Benutzung der Trockenräume, Vortragsreihen erneuerbare Energien, Mülltrennung, geführte Wanderungen etc.
Meine Frage zu den Ein- und Ausstiegsstellen und zum Wasserstand der Gail hat er mit überzeugungskräftiger Stimme beantwortet: Wegen der Hochwasserschutzarbeiten auf ca. 2 km Länge für 10,5 Millionen Euro ist der Ausstieg am Campingplatz bis 2016 nicht nutzbar, es muss vorher ausgestiegen werden. Außerdem hat sich die Gail in letzter Zeit deutlich verändert und ist auf dem letzten Abschnitt ein überaus flotter 4-er geworden. Die oberen Abschnitte sind durchgängig Wildwasser 5. Hiervon waren wir mächtig beeindruckt und haben schon über einen Wechsel zur Möll nachgedacht, da wir auf Wildwasser III eingestellt sind und die- 4-er Stellen je nach Einschätzung fahren oder auch umtragen. Dann haben wir entschieden, unterhalb des Campingplatzes eine Genusstour zum Einpaddeln zu fahren und anschließend den oberen Abschnitt zu besichtigen. Ungefähr auf halber Strecke nach Birnbaum konnten wir von der hoch über der Gail gelegenen Straße hinunter in die Schlucht zur Straßenbrücke fahren und dort eine der Schlüsselstellen besichtigen. Genau wie auf http://www.kajaktour.de/gail.htm beschrieben, haben wir diesen Flussabschnitt mit WW III+ eingeschätzt und somit für uns als angstfrei befahrbar erachtet.
Am nächsten Morgen sind wir mit den Booten zur Einsatzstelle und haben dort eine größere Paddelgruppe aus Wien angetroffen. Da es heftig regnete, hat Paul eine Mitfahrgelegenheit für den Autorücktransport eingefädelt, um uns die eigentlich geplante Radfahrt zu ersparen. Die Gruppe wartete noch auf die Umsetzautos, als wir bereits in die Gail einsetzten. Der Wasserstand mit ca. 85 cm war als gut eingeschenkt zu bezeichnen und wir waren flott unterwegs. Hohe Wellen, kräftige Strömung, viele Schwälle und Stufen, viele kleine Kehrwässer aber wenig Verblockung zeichnen die Gail aus. Dabei gibt es kaum ruhige Abschnitte. Für uns war die Gail der wildwassertechnisch interessanteste Fluss, den wir bisher befahren haben. Bei Dauerregen erreichten wir die Ausstiegstelle und gingen den ca. 1 km weiten Weg zum Campingplatz zu Fuß, um uns schnell umzuziehen. Paul ist dann eilig mit dem Rad zur Aussetzstelle zurückgefahren, um den verabredeten Rücktransport mit den Wienern nicht zu versäumen. Jürgen und ich haben bei nachlassendem Regen eine Radtour flussabwärts entlang dem schön ausgebauten Radweg unternommen. Nach einer Stunde sind wir zur Aussetzstelle gefahren, in der Erwartung, unsere Boote auf den umgesetzten Wagen zu laden. Wir waren sehr überrascht, Paul unter dem Regenschirm zu sehen, der noch immer auf die Wiener wartete. Als die Gruppe dann ankam, hat es nochmals eine Stunde gedauert, bis das Auto umgesetzt war, obwohl Paul noch nie so schnell in einem mit 6 Personen beladenen Jaguar die Serpentinenstraße raufgejagt wurde.
Am nächsten Tag haben wir denselben Flussabschnitt noch mal gepaddelt und haben das Umsetzen dann doch lieber per Fahrrad erledigt. Glücklicherweise war Petrus gnädig und es regnete mal nicht während der Radtour. Andererseits waren wir von den Anstrengungen schweißgebadet, als wir den höchsten Punkt des steilen Aufstiegs erreicht hatten.
Anders als im letzten Jahr an der Allier, konnte man in dem am Campingplatz angeschlossenen Restaurant allzeit landestypisch essen und eine erfolglose Jagd zwecks Nahrungssuche blieb uns diesmal erspart.
Irgendwann nach 2016, wenn der Umbau zum Hochwasserschutz abgeschlossen ist, kommen wir sicher wieder und wählen einen Platz möglichst weit von der Bundesstraße entfernt.
Ahoi
Lothar