Dormagen, 30.Mai 2023 Freitag Abend, Kenny Wayne Sheppard Band, zwei Stunden volle Lotte Bluesrock in Mainz. Ich darf das Konzert genießen, weil Ninas Männer auch mein Boot am selben Abend am WSC Bootshaus auf Ninas Bus aufladen.
Ich komme Samstag morgens um 10 Uhr zum Vereinsgelände, Campingausrüstung und Klamotten rein, abfahrbereiter Bulli, Nina am Steuer, Luxus pur! Los geht ´s, Kassel wird großzügig umfahren, ansonsten einigermaßen flüssig. So ganz nah ist das Ziel Hannoversch Münden nicht und es muss ja noch umgesetzt werden, auch die Zelte wollen aufgebaut sein.
Freundlicher Empfang auf dem Campingplatz Hann. Münden, Jürgen hatte das Campen und auch Abendessen, zusammen mit den Paddlern aus Uerdingen, in einem griechischen Restaurant organisiert. Er und Monika haben ihren Wohnwagen schon am Vortag eingerichtet.
Der Marathon, wie der Name schon ahnen lässt, ist eine Traditionsveranstaltung, dieses Jahr die 51., mit beachtlichen medaillen-bewährten Streckenlängen von 53, 80 und 135 (!) Flusskilometern. Camper aus den Niederlanden und Dänemark fallen mir auf. Übernachtungsmöglichkeiten sind sehr stark nachgefragt. „Unser“ Platz, sehr günstig für den Start, füllt sich zusehends, Nina und ich bekommen schöne Plätze für unsere Kleinzelte am Ufer der Fulda.
Ich habe komplett neue Ausrüstung, auf Anraten von Jürgen paddeltourentauglich, der Aufbau geht problemlos, einmal Probe-Aufbau im heimischen Garten, gutes Abspannen nicht vergessen!
Ich genieße Ninas Apfelkuchen und Monikas Kaffee unter dem Vorzelt des Wohnwagens von Monika und Jürgen. Nina setzt den Bulli nach Beverungen um, Rückfahrt mit den Uerdinger Kameraden. Monika und ich können in der Zeit die Umgebung erkunden, der Schleusung eines Ausflugsschiffs samt Nutzung der Drehbrücke zuschauen. Wieder werde ich verwöhnt.
Abends vor dem Essen im „Kreta“ ein kleiner Spaziergang durch das pittoreske Hannoversch Münden, Häuser ganz überwiegend aus Fachwerk, mit Psalmen und anderen Inschriften im Querbalken, teils aufwändig verzierte Holztüren.
Während des Essens ein wenig fachsimpeln, ich nehme mir Peters Rat zu Herzen, Fußrasten im Kayak so einstellen, dass man ab und zu die Beine ganz ausstrecken kann, es erleichtert das lange Sitzen sehr. Ebenso die Knie bei Gelegenheit mal in die Bootsmitte nehmen
Nach dem Essen, mit beachtlich wenig Alkoholkonsum – offenbar haben alle Respekt vor der kurzen Nacht und dem langen Tag – noch ein Schlendern zum Weserstein, linker Hand die Fulda, rechts die Werra mit beachtlicher Strömung.
Im Zelt nochmal die Überlegung, was brauche ich morgen früh, was kann zu Monika und Jürgen zum Wohnwagen, wo sind eigentlich die Power-Riegel und wo packe ich die hin um unschwer während der Tour dran zu kommen. Die Ablagen im Zelt für Lampe, Brillen, Handy-Wecker sind praktisch.
Ein nächtlicher Rufer lässt alle an seiner gefühlten Lebensfreude teilhaben, das muss wohl so sein, bestimmt lernt er irgendwann dazu. Wesentlich angenehmer aber kaum weniger laut: das Vogelkonzert am Morgen, Amsel, Meise, vermutlich Rotkehlchen und weitere Arten geben auch alles, aber immerhin nicht elektrisch verstärkt.
In der Nacht mehr oder weniger Dauer-Regen, das neue Zelt bewährt sich, der Innenraum bleibt trocken. Auch Schlafsack und Matratze sind komfortabel, die Temperatur passt auch ohne Einmummeln. Der Wecker meldet sich, ich fühle mich ausgeschlafen, eine Portion Neulust ist sicher dabei. 7.15 h Kaffee und Brötchen von Monika, Luxus pur! Erst danach legen wird das Neo-Zeug an.
Abbau der Zelte, Abschütteln der Regentropfen, Tipp von Nina: mit dem alten Handtuch trockenwischen, das gute Stück soll ja nicht gleich Stockflecken ansetzen. Wechselklamotten im Trockensack ins Boot, Mütze griffbereit. Alles übrige werden dankenswerter Weise Monika und Jürgen mitnehmen. Paddelpfötchen sind nicht notwendig. Letztes Jahr war das wohl anders, Verschlussdecken waren am Süllrand angefroren, Nebel über dem Wasser beim Ablegen, Nina zeigt mir entsprechende Fotos.
Mein 27 kg PE Boot liegt schon am Start, ich hatte gestern Abend dafür von den Uerdinger Paddlern eine Achse geliehen, gute Idee aus der Gruppe!
Reichlich Ameisen am Rumpf, unter der Wasserpumpe, eigentlich überall, aber freundlicherweise nur außen. Ein Lukendeckel wäre wohl trotzdem angemessen.
Wir setzen an einer Schräge neben der Schleuse ein, mit meinem PE-Eisbrecher kann ich auf dem Beton reinhoppeln, Nina geht mit ihrem Boot erheblich feinfühliger um. Die ersten Paddelschläge, noch auf der Fulda, vom Kirchturm hören wir den 8.00 Uhr Glockenschlag. Vor uns ein Duzend Kanuten, die kurz vorher aus der Schleuse fuhren. Nach kurzer Strecke am Weserstein, Flusskilometer „0“. Die relativ hohe Strömung der Weser ist natürlich angenehm, wenn man 53 km vor der Brust hat.
Reinhardshagen ist der erste Ort auf der Strecke, wieder schönes Fachwerk, malerisch am Ufer gelegene freistehende Häuser aber auch zusammenhängend wie die Stapelhäuschen in Köln.
Mehrere Seilzugfähren, meist für ein bis zwei PKW geeignet, eine reine Fahrrad und Personenfähre. An nur zwei Brücken erinnere ich mich.
Ganz viel ansprechende Landschaft, ein Schwan auf seinem imposanten Nest. Kuckucksrufe, mehrfach, irgendwie kann ich aber nicht auf die Geldbörse klopfen….Vogelkonzert auch unterwegs, mitunter hören wir auf zu paddeln um dem schönen Gesang zu lauschen. Nina schaut auf die Uhr, bislang 10 km/h.
Zuerst der Geruch. Dann auch visuell: eine größere Schafherde. Weiße Flecken in der Landschaft sind entweder Wohnmobile auf Campingplätzen, Schafe oder Schwäne. Oder ein Ausflugsschiff, tatsächlich kommt uns einmal eines entgegen, kleine Wellen, aber beachtlich langandauernd. Wunderschön die bewaldeten Hügelketten zu beiden Seiten. Mal Kühe, mal Kakao-Kühe, mal Pferde, immer wieder Schafe.
Später bemerkt zuerst Nina dann auch ich deutlich den Duft von Waldmeister, der Mai ist ja gekommen, es heißt ja auch die Tour sei “die schönste Schinderei im Frühjahr“.
Ein Reiher fängt einen Fisch aus dem Wasser, kleinere Vögel holen sich offenbar Insekten von der Wasser-Oberfläche. Ein Raubvogel kreist, V-förmige Schwanzfedern deuten auf einen Milan.
Nina meldet mehrfach und gleichbleibend 10 km Strecke in einer Paddelstunde. Ich versuche kräfteschonend zu paddeln, nicht so steil rein, eher mit den Körper-Schrägern, als mit den optisch wirksamen Muskeln im Oberarm. Chris hatte mich mal auf einer Tour nach Uerdingen darauf hingewiesen. Mann kann nicht alles haben.
Viele Kayaks, Einer und Zweier, einige wenige SUPs, ein Vierer-Kanadier mit Ausleger.
Meist fahren wir in einem gewissen flow, eins mit der Umgebung und der Situation, manchmal gehen die Gespräche in die Vergangenheit und auch in die Zukunft.
„Ich sehe unser Ziel“ sagt Nina, sie war ja schonmal hier. Beverungen voraus, das 53 Flusskilometer Bronze-Ziel.
Eine gute Plattform zum Anlegen, ich fühle mich gut, das Aussteigen fällt mir aber nicht so leicht, Nina ist schon aus ihrem Boot gehüpft, zwei Wassersportfreunde tragen es hoch, so dass sie sich mit einheimischen Helfern auch um mich kümmern kann. „Erstmal sitzen bleiben“, gute Ärztinnen achten auf den Kreislauf ihrer Mitmenschen, ich kenne das. Mein Bootstragehelfer findet einen Platz sehr nah am Ausstieg, vermutlich hadert er mit dem Schicksal, warum er nach 50 Carbonfaser-Booten einen voll beladenen Eisbrecher tragen muss….
Ausgabe der Ehrenzeichen, wir nehmen beide die praktische Trocken-Tasche mit aufgedruckter Route und nicht die Medaille, auf Wunsch gibt es auch Stempel und Aufkleber. Bei meinem faible für sticker ist das natürlich ein „muss“.
Es ist durchaus wuselig, alle freundlich, Kaffee, Erdbeerkuchen, Waffeln, Pommes Frites, Schweinkram, niemand muss hungern. im Wesentlichen gut organisiert, vom Duschen mal abgesehen. Nina berichtet von einer kleine Odyssee bis zum Erhalt der Duschmarke, ich entscheide alternativ mich unter einem Rinnsal zu befeuchten.
Doof ist der ausgeprägte kalte Wind, er wird mir später eine Erkältung einbrocken. Ansonsten recht schadenfrei, Hautirritationen an den Achseln wohl durch Nähte im Neoprenzeug, etwas Druckstellen von den seitlichen Sitzpolstern, später aber auch tatsächlich kein Muskelkater. Mein Respekt für die 7 ¼ Stunden von Jürgen und den Uerdingern für die 80 km, klar außerhalb meiner Möglichkeiten. Klar auch, Nina hätte das gepackt. Beim Laden meines Bootes auf den Bulli wird sofort ein Helfer aktiv, Nina verzurrt dann sorgfältig beide Boote. Sicherheit statt Hektik, so soll es sein.
Souverän und sicher fährt Nina zurück, am Bootshaus, im Kraftraum, sind glücklicherweise Jens und Tim und helfen freudig beim Abladen. Sie überlegen, ob das als eine Übungseinheit zählen soll. Ich könnte das befürworten.
Und das Fazit: Kein Hotelzimmer mit King-size Bett, kein Ausschlafen bis zum brunch, kein Koch nur für Frühstücks-Eierspeisen, keine Wellness-Sauna-Landschaft, aber eine wunderschöne Erfahrung, ermöglicht durch viele selbstlose Unterstützer, KameradInnen, die ihre Kenntnissen und Erfahrung, die ihre Zeit für die Gemeinschaft einsetzen. Herzlicher Dank zu allererst an Nina, für die Motivation und Initiative, Fahren, Umsetzen und - wie immer - gute Gespräche! Monika und Jürgen für weitere Logistik und Fürsorge. Und Tom und Kaspar haben mir den Besuch eines richtig guten Konzerts ermöglicht. Auch die gute Kameradschaft mit den Uerdingern ist auch eine verlässliche Bank. Was sagt der Psychologe: „Wirklichkeit entsteht durch Gemeinschaft“. Gemeinsam, das ist wahrer Luxus! Gerüchten nach, soll der Weser Marathon nächstes Frühjahr wieder stattfinden… Rainer
Fotos: fast alle von Nina