Dormagen 18. August 2019 Viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene können beim WSC Bayer Dormagen seit vielen Jahren auf dem Rhein oder anderen Flüssen ihre Freude am Kanufahren ausleben und sich bei Wildwasserfahrten, Kanuslalom, Freestyle oder neuerdings beim Standup-Paddling ausprobieren. Neben dem Breitensport gelingt es dem Verein auch den Leistungssport so weit zu fördern, dass ihm immer wieder Leistungsträger erwachsen, die auch international erfolgreich und Vorbild für den Nachwuchs sind.
Thomas Becker, 1996 Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele von Atlanta, und Kajakweltmeister von 1997 ist dem WSC immer noch verbunden und leitet die Kanu-AG der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, an der er Lehrer ist, in Kooperation mit dem WSC. Anfang August nahm er in Ivrea, Leistungszentrum des italienischen Kanuslaloms, an den European Masters Games teil. Dabei handelt es ich um eine Multisportveranstaltung, eine Art Europaspiele für Senioren. In seiner Altersklasse, der 50- bis 54-jährigen, belegte er einen hervorragenden 2. Platz hinter dem Belgier Ingo Kriesinger. Im NRW-Team mit Andreas Leonhard und Richard Bender holte er Gold, sie waren damit drittschnellstes Team aller Altersklassen ab 35 Jahren. Eine internationale Veranstaltung steht für ihn noch an:
"Der härteste Teamwettbewerb der Welt - Let's rock the Dolomites" - am 7. September in Lienz. Jeweils 4 Extremsportler werden im Teamwettbewerb Berglaufen, Paragliding, Mountainbiking und Wildwasserslalom den Red Bull Dolomitenmann 2019 ermitteln. Die Bergläufer müssen 2000 Höhenmeter überwinden, die Paragleiter steigen mit einem Zwischenstopp zweimal in die Lüfte. Die Mountainbiker kämpfen sich mit dem Rad bergauf, um dann über eine Skiweltcuppiste ins Tal zu rasen und schließlich springen die Kanuten spektakulär sieben Meter in die Tiefe und kämpfen sich durch eine internationale Wildwasserstrecke flussauf- und abwärts. Thomas Becker wird mit seinem Team dabei sein.
Anna Faber, 23jähige Sportsoldatin, die seit 5 Jahren in Augsburg studiert und dort im Bundesleistungszentrum trainiert, holte gleich bei ihrer ersten WM mit 16 in den USA Teamsilber. 2014, in ihrem Abiturjahr, wurde sie in Mazedonien Junioreneuropameisterin und im letzten Jahr in Ivrea U23-Vizeeuropameisterin. In dieser Saison war sie mit den beiden Bronzemedaillen im EM- und WM-Team nicht ganz zufrieden, denn ihr Ziel war eine Medaille im Kajak-Einzel: "Ich finde es sehr schade, dass ich mein Saisonziel nicht erreicht habe." Aber im Kanuslalom liegen Sieg und Niederlage ganz eng beieinander, wie schnell hat man einen Torstab hauchdünn berührt oder bleibt in einer Walze hängen. "Ich freue mich aber, dass ich den Weltcup in Prag mitfahren darf. Das ist Gänsehautfeeling!", blickt Faber nach vorne. Anders als in Deutschland ist Kanuslalom in Tschechien Nationalsport. Die heimischen Sportler werden in Fanclubs gefeiert, die Wettkämpfe wie beim Fußball im Netz oder im Fernsehen übertragen. Eine Kostprobe davon gab es schon beim Weltranglistenrennen vor zwei Wochen, bei dem Faber mit ihrem fünften Platz sehr zufrieden war. Langfristiges Ziel ist die Etablierung im A-Team. "2022 bei der WM in Augsburg, 50 Jahre nach den Olympischen Spielen dabei zu sein, das wäre top!"
Jeffry Piontek, langjähriger CI-Fahrer, durfte 2003 an der Junioren EM in Hohenlimburg teilnehmen und für England starten, weil er zwei Pässe besitzt. Nun geht für ihn ein Traum in Erfüllung: Gemeinsam mit der zwanzigjährigen Marie Gottowick nimmt er im Canadier Mixed für Deutschland an den Slalomweltmeisterschaften in Seau d'Urgell teil, auf der Olympiastrecke von Barcelona. Eigentlich hatte er vor wie Thomas Becker bei den European Masters mitzumachen, die überraschende Nominierung für die WM hat ihn aber absolut geflasht: "Wir müssen zwar so gut wie alles selbst bezahlen und haben nur wenig Zeit, gemeinsam zu trainieren, da wir beruflich eingespannt sind, aber es ist einfach toll bei so einem Event dabei zu sein und wir werden unser Bestes geben." Erstmalig nach 1981 ist die Bootsklasse CII-Mixed wieder WM-Disziplin, gehört jedoch noch nicht zu den olympischen Kategorien und befindet sich im Aufbau. Umso erfreulicher ist es, dass mit den amtierenden Westdeutschen Meistern Piontek/Gottowick ein Boot vom WSC dabei ist. Ihr internationales Debut geben sie beim Weltcup in Prag.
Liv Konrad, deutsche Jugendmeisterin 2018, hatte sich in den aufreibenden 4 Qualifikationsrennen zu Beginn der Saison erstmals in die Juniorennationalmannschaft gekämpft und war mit dem vierten Platz im Mannschaftswettbewerb bei der EM und bei der WM ganz knapp an eine Medaille herangefahren. Die Erfahrungen auf internationalen Wettkämpfen und Strecken bringt sie ein ganzes Stück weiter in ihrer sportlichen Karriere. Die erneute Qualifikation im nächsten Jahr ist ihr großes Ziel.
Marten Konrad war in diesem Jahr bereits mit seinem 2. Platz bei den deutschen Schülermeisterschaften höchst erfolgreich. In der kommenden Saison darf er ebenfalls an den Qualifikationsrennen für die internationalen Teams teilnehmen. In seiner Bootsklasse, dem Kajak, ist die Konkurrenz aber besonders groß und nur wenige hundertstel Sekunden trennen oft das lachende vom weinenden Auge. Erste internationale Erfahrungen sammelte er bereits beim ECA-Junior-Cup in Augsburg, wo er in beiden Läufen die komplette internationale Konkurrenz der U14-jährigen besiegte.
Robert Büchmann gehört zu den Pionieren vom WSC, die ihr Herz dem Kanu-Freestyle geschenkt haben. Hierbei bleibt man so lange wie möglich in einer Walze oder Welle und vollführt dort akrobatische Moves, um möglichst viele Punkte zu sammeln, die am Ende über die Platzierung entscheiden. Da auch diese Disziplin nicht olympisch ist, ist die Teilnahme an einer WM mit viel Eigeninitiative und Kosten verbunden. Dennoch war er im spanischen Sort dabei, mit seinem 44. Platz aber nicht so ganz zufrieden: "Die Welle war für mich sehr schwer zu meistern. Ich hatte vorab kaum die Gelegenheit zu trainieren, da nachts, wenn es möglich gewesen wäre, das Zuflusswasser vom Staudamm abgedreht wurde." Freestyle-Artist Yannick Münchow hatte sich als zweites Deutsches Boot ebenfalls für die WM qualifiziert, konnte aber wegen seines Bachalorabschlusses nicht teilnehmen. "Mal sehen was es nächstes Jahr noch an Möglichkeiten und Erfolgen gibt. Aktuell können wir das Training an der Erft aber völlig vergessen und haben nur noch in Hohenlimburg im Wildwasser Kanal und in Neheim Hüsten bei Arnsberg zwei kleine Trainings-Walzen. Ich versuche jede Woche mindestens einmal auf's Wasser zu kommen aber muss dafür immer mindestens 45 Minuten Auto fahren".
Damit spricht Robert Büchmann ein Problem an, dass sich allen Kanuten in NRW stellt: Die Trainingsbedingungen, die man benötigt, um bei internationalen Wettkämpfen mithalten zu können, werden immer schwieriger. Eine möglichst schnelle Realisierung eines Wildwasserkanals am Straberger See in Dormagen, die in der Planung vorankommt, wäre für alle Sportler ein Segen und Voraussetzung, damit NRW nicht international abgehängt wird.
Geschrieben von E. Faber